Ausgesetzt!
Ein
paar Stunden später, als Franz und Lisa schon ruhen, sitzen die
Eltern noch im Wohnzimmer. Die Mutter stopft Strümpfe, der Vater
liest die Zeitung.
Aber er weiß kaum, was er liest. Über den Zeitungsrand hinweg muß er immer wieder zur Katze gucken, die zusammengerollt auf dem Türvorleger liegt und leise schnurrt.
„Ja, was soll nun werden mit dem Tier?“ fragt er endlich; „so kann es doch nicht weitergehen!“
„Mir tut es auch leid“, meint die Mutter; „ich habe schon überall herumgefragt, aber keiner will eine ausgewachsene Katze haben. Sie fürchten auch alle, daß sie einmal Junge kriegt, und was dann? Eine ganze Katzenfamilie in der engen Wohnung – das will eben keiner.“
„Und bei uns ist es dasselbe, oder möchtest du vier, fünf Katzen in der Küche haben?“
„Bloß nicht, bloß nicht!“
„Das Einfachste wäre . . . aber gern tue ich das nicht . . .“
„Was denn?“
„Ich meine, wenn man sie einfach in der Laubenkolonie aussetzte ...“
„Du meinst, wir sollten sie da hintragen und einfach laufen lassen? Sie wird uns folgen und wieder mit nach Hause kommen.“
„Wir könnten es versuchen; vielleicht, wenn wir sie über den Zaun setzen . . .“
„Was soll aus ihr werden, wenn keiner für sie sorgt'?“
„Es ist eine hübsche Katze, die findet schon wieder einen Herrn. Sicher.“
„Aber bis sie ein neues Heim findet, kann es zwei, drei Tage dauern; sie wird hungern!“
„Jetzt im Sommer? Da findet sie doch allerlei draußen, und Näpfe mit Hühnerfutter sieht man doch auch überall in der Laubenkolonie ... Aber freilich, hungern - das würde mir auch leid tun. Wir könnten ihr ja morgen Abend noch einmal etwas hintragen . . .“
Die Eltern schweigen lange, aber ihre Gedanken sind immer bei der Katze. Wie sie daliegt, das Bild der Ruhe und des Friedens! Jetzt erhebt sie sich und streicht der Mutter schmeichelnd um die Beine.
„Ich kann mich doch schwer von dem Tier trennen“, sagt die Mutter endlich; „wenn es bloß nicht so viel Pflege brauchte... aber eigentlich ist es ja gar nicht so schlimm.. .“
„Aber du hast so wenig Zeit, und auf das Mädel ist kein Verlaß! Und wenn sie Junge kriegt ... Nein, nein. es geht nicht länger, einmal muß Schluß sein!“
„Wir hätten damals nicht gestatten sollen. daß sich die Kinder das Tierchen mitbrachten. Aber es war so niedlich, man hat selber seine Freude an ihm gehabt.“
„Wie schnell die Katzen groß werden! Ja. wenn sie klein blieben, möchte man sie gern behalten – aber so . . .“
Es ist eine ziemlich windige Sommernacht. Die Wolken jagen am Mond vorüber, und es rauscht in den Kronen der Obstbäume. Erschauernd und verwundert steht Miez plötzlich hinter einem hohen Drahtzaun. Was hat das alles zu bedeuten? Sie kann es sich nicht erklären. Und Frauchen und Herrchen gehen Weiter, ohne sie zu locken . . . und als sie ihnen nach will, hat die Dunkelheit sie schon verschluckt.
Da steht sie und lauscht, verlassen von undankbaren Menschen, die zu feige waren, ihr wenigstens einen schnellen, schmerzlosen Tod zu verschaffen . . .
Sie beschnuppert die Erde, den Zaun, die Kräuter und Blumen, den schmalen Steig, macht ein paar Schritte hin und her, tastet sich behutsam mit ihren Schnurrhaaren durch dichtes Gebüsch und lauscht immer wieder, ob sie nicht eine bekannte. Lockende Stimme höre. Doch nur der Wind rauscht und die Blätter wetzen, und irgendwo knarrt und piept ein loses Brett.
Da quietscht eine Tür, und heller Lampenschein erfüllt den Garten mit geisterhaftem Licht. Ein Mann tritt vor die Wohnlaube und sieht nach dem Wetter.
Schnell trippelt Miez näher. Der Mann sieht sie kommen. Wo ist denn die her? denkt er; in der Laubenkolonie darf doch keiner; eine Katze halten! Das fehlte gerade noch, daß die uns die Küken wegholt und die Singvögel vergrämt! „Krrcht! Kratz die Katz!“ ruft er laut und stampft mit den Stiefeln auf, und erschreckt saust Miez einen Quersteig hinauf zum Nachbargarten, und als sie über den Staketenzaun will, trifft sie eine Handvoll Erde. Entsetzt stürmt sie weiter, durch die vier nächsten Gärten, dann lauscht sie zurück. Alles ist still. Da erkennt sie dicht vor sich den schwarzen Schatten eines Holzschuppens und schleicht näher. Lange lauscht sie durch den Türspalt; nichts regt sich im stockdunklen Raum.
Nun fängt es an zu regnen, da kennt sie keine Wahl und verschwindet im Schuppen. Vorsichtig, Schritt für Schritt, tastet sie sich hinein. Hinten in der Ecke liegt eine Handvoll Heu, auf dem tut sie sich nieder, rollt sich zusammen und schläft bald ein. Doch sie schläft nicht fest; jedes Mauspiepen weckt sie, und ein paarmal schlägt ganz in ihrer Nähe ein Hund an.
Als der Morgen graut, trommelt der Regen noch immer auf das Schuppendach. Miez hat Hunger, doch in die Nässe möchte sie nicht hinaus. So liegt sie und wartet. Da klappern Schritte, kommen näher, immer näher; soll sie fliehen? Plötzlich steht ein großer Junge mit einem Holzkorb in der halb geöffneten Tür. Als er die grünen Katzenaugen in der Ecke funkeln sieht, läßt er den Korb fallen, tritt einen Schritt zurück und schließt von außen die Tür. Einen Augenblick überlegt er, dann hebt er einen armlangen dicken Knüppel vom Boden auf und will sich durch den Türspalt zwängen. Da erkennt Miez die Gefahr.
Satz - Sprung! saust sie dem Jungen über den Kopf, daß der zurücktaumelt und gar nicht daran denkt, zuzuschlagen, und als er der Katze den Knüppel nach feuert, trifft er nur in die Büsche, die der dunkelgraue Strich schon hinter sich hat.
Ein gutes Stück weiter drückt sich die Katze verängstigt unter einen dicht verfilzten Stachelbeerbusch. Es hat aufgehört zu regnen, aber Boden und Büsche und Kräuter sind pitschnaß, und es tropft von den Bäumen.
In den Gärten wird es lebendig; Schritte tappen, Türen knarren, Rufe und Stimmen sind überall. Da kommt der Semmeljunge den breiten Laubenweg herauf. Vor der Gartenpforte steigt er vom Rade und klingelt. Gleich öffnet sich die Wohnungstür, und eine Frau tritt heraus. An ihr vorbei flitzt Fox, der junge Drahthaar-Terrier, in den Garten und hat gleich den Geruch der Katze in der Nase. Satz - Satz- Satz! klebt Miez am Stamme des Apfelbaumes, und kratz - kratz! sitzt sie in der Krone. Der Hund bringt sich fast um vor Wut und bellt und jault und winselt. Zu gern möchte er dem Mäusefänger an den Kragen, doch der sitzt hoch. Da kommt der Semmeljunge und versucht den Baum zu schütteln, doch der Stamm ist zu dick. Er wirft Sand und Steine in die
Krone. Immer höher hinauf flüchtet sich die Katze, bis in die äußerste Spitze; es nützt ihr nichts, sie wird ihre Peiniger nicht los. Der Junge lehnt eine Leiter gegen den Stamm und holt sich eine lange Stange.
Da springt ihm die Katze entgegen; ihr bleibt kein anderer Weg, wenn sie hinunter will. In höchster Verzweiflung und «Wut fährt sie ihrem Verfolger ins Gesicht, kratzt heftig zu. Der Junge schreit auf und will sich mit beiden Händen des garstigen Teufels erwehren. Da rutscht die Leiter nach rechts, der Junge verliert den Halt und fällt nach links, die Katze schießt über ihn hinweg, erreicht den Boden.
Darauf hat Fox gewartet, und gleich will er sie packen. Doch blitzschnell wendet die Katze und sitzt ihm auf dem Rücken. Hick, hick! greifen ihre nadelspitzen Dolchkrallen zu; der Hund heult auf vor Schmerz und Wut und schüttelt sich. Hick, hick! Noch zweimal, dreimal gibt sie dem Hunde blutige Backpfeifen, dann springt sie zur Seite, und jaulend, mit eingezogenem Schwanz, flüchtet der Hund in die Laube. Der Semmeljunge wischt sich den Schmutz von der weißen Schürze, flucht vor sich hin und guckt in die Richtung, in der die Katze eben verschwindet ...
Miez weiß nun, woran sie ist; hier darf sie keinem trauen, hier ist jeder ihr Feind. Verängstigt und scheu setzt sie sich in einen Sonnenfleck und putzt sich das struppige, arg verschmutzte Fell. Davon wird sie aber nicht satt. Der Hunger wühlt in ihren Därmen. Da hört sie, wie Hühner kakeln und gakkern. Das klingt so zufrieden und gemütlich, daß sich die Katze unwiderstehlich angezogen fühlt. Krockockockockock! warnt der Hahn, krockockockockock!
Und Kackeraaak kackeraaak! schelten überrascht die Hühner. Was hast du hier zu suchen? Die lauten, herrischen Stimmen sind der Katze unangenehm, doch sie riecht die warmen Kleiekartoffeln im Futternapf, und ihr Hunger ist gar zu groß. Sie erklettert den Hühnerzaun und springt in das Gehege. Mit gellendem Geschrei flattert das dumme Hühnervolk auseinander. Die Katze zuckt zusammen; sie fühlt, daß das Gezeter sie verraten muß. Friß, friß! drängt ihr knurrender Magen, und sie schlingt und schlingt...
„Det guck dir an, Vater“, sagt eine alte Frau hinter der Gardine, „da sitzt ja ne Katze ant Hühnerfutter!“
„Is et die Möglichkeit?! Wo kommt denn die hierher? Mein Jott, hat die 'n Hunger! Guck bloß, wie gierig die frißt! Laß se man, Mutter, Hunger dut weh; Wer weeß, wie lange se nischt jefressen hat!“
„Wie scheu se sich umkiekt!“
„Die hat vielleicht schon manche Klamotte int Kreuz jekriegt! Hier sind se nich jut zu sprechen uff de Katzen. Weeßt de noch, die kleene Graue, die wir mal hatten - die sah janz jenau so aus!“
„Ob ick ihr 'n bißken zu trinken rausstelle?“
„Kannste ja!“
Kaum knarrt die Tür, da flüchtet die Katze und bringt sich mit langen Sätzen in Sicherheit. Sie hat das Vertrauen zu den Menschen verloren . . .
Aber er weiß kaum, was er liest. Über den Zeitungsrand hinweg muß er immer wieder zur Katze gucken, die zusammengerollt auf dem Türvorleger liegt und leise schnurrt.
„Ja, was soll nun werden mit dem Tier?“ fragt er endlich; „so kann es doch nicht weitergehen!“
„Mir tut es auch leid“, meint die Mutter; „ich habe schon überall herumgefragt, aber keiner will eine ausgewachsene Katze haben. Sie fürchten auch alle, daß sie einmal Junge kriegt, und was dann? Eine ganze Katzenfamilie in der engen Wohnung – das will eben keiner.“
„Und bei uns ist es dasselbe, oder möchtest du vier, fünf Katzen in der Küche haben?“
„Bloß nicht, bloß nicht!“
„Das Einfachste wäre . . . aber gern tue ich das nicht . . .“
„Was denn?“
„Ich meine, wenn man sie einfach in der Laubenkolonie aussetzte ...“
„Du meinst, wir sollten sie da hintragen und einfach laufen lassen? Sie wird uns folgen und wieder mit nach Hause kommen.“
„Wir könnten es versuchen; vielleicht, wenn wir sie über den Zaun setzen . . .“
„Was soll aus ihr werden, wenn keiner für sie sorgt'?“
„Es ist eine hübsche Katze, die findet schon wieder einen Herrn. Sicher.“
„Aber bis sie ein neues Heim findet, kann es zwei, drei Tage dauern; sie wird hungern!“
„Jetzt im Sommer? Da findet sie doch allerlei draußen, und Näpfe mit Hühnerfutter sieht man doch auch überall in der Laubenkolonie ... Aber freilich, hungern - das würde mir auch leid tun. Wir könnten ihr ja morgen Abend noch einmal etwas hintragen . . .“
Die Eltern schweigen lange, aber ihre Gedanken sind immer bei der Katze. Wie sie daliegt, das Bild der Ruhe und des Friedens! Jetzt erhebt sie sich und streicht der Mutter schmeichelnd um die Beine.
„Ich kann mich doch schwer von dem Tier trennen“, sagt die Mutter endlich; „wenn es bloß nicht so viel Pflege brauchte... aber eigentlich ist es ja gar nicht so schlimm.. .“
„Aber du hast so wenig Zeit, und auf das Mädel ist kein Verlaß! Und wenn sie Junge kriegt ... Nein, nein. es geht nicht länger, einmal muß Schluß sein!“
„Wir hätten damals nicht gestatten sollen. daß sich die Kinder das Tierchen mitbrachten. Aber es war so niedlich, man hat selber seine Freude an ihm gehabt.“
„Wie schnell die Katzen groß werden! Ja. wenn sie klein blieben, möchte man sie gern behalten – aber so . . .“
Es ist eine ziemlich windige Sommernacht. Die Wolken jagen am Mond vorüber, und es rauscht in den Kronen der Obstbäume. Erschauernd und verwundert steht Miez plötzlich hinter einem hohen Drahtzaun. Was hat das alles zu bedeuten? Sie kann es sich nicht erklären. Und Frauchen und Herrchen gehen Weiter, ohne sie zu locken . . . und als sie ihnen nach will, hat die Dunkelheit sie schon verschluckt.
Da steht sie und lauscht, verlassen von undankbaren Menschen, die zu feige waren, ihr wenigstens einen schnellen, schmerzlosen Tod zu verschaffen . . .
Sie beschnuppert die Erde, den Zaun, die Kräuter und Blumen, den schmalen Steig, macht ein paar Schritte hin und her, tastet sich behutsam mit ihren Schnurrhaaren durch dichtes Gebüsch und lauscht immer wieder, ob sie nicht eine bekannte. Lockende Stimme höre. Doch nur der Wind rauscht und die Blätter wetzen, und irgendwo knarrt und piept ein loses Brett.
Da quietscht eine Tür, und heller Lampenschein erfüllt den Garten mit geisterhaftem Licht. Ein Mann tritt vor die Wohnlaube und sieht nach dem Wetter.
Schnell trippelt Miez näher. Der Mann sieht sie kommen. Wo ist denn die her? denkt er; in der Laubenkolonie darf doch keiner; eine Katze halten! Das fehlte gerade noch, daß die uns die Küken wegholt und die Singvögel vergrämt! „Krrcht! Kratz die Katz!“ ruft er laut und stampft mit den Stiefeln auf, und erschreckt saust Miez einen Quersteig hinauf zum Nachbargarten, und als sie über den Staketenzaun will, trifft sie eine Handvoll Erde. Entsetzt stürmt sie weiter, durch die vier nächsten Gärten, dann lauscht sie zurück. Alles ist still. Da erkennt sie dicht vor sich den schwarzen Schatten eines Holzschuppens und schleicht näher. Lange lauscht sie durch den Türspalt; nichts regt sich im stockdunklen Raum.
Nun fängt es an zu regnen, da kennt sie keine Wahl und verschwindet im Schuppen. Vorsichtig, Schritt für Schritt, tastet sie sich hinein. Hinten in der Ecke liegt eine Handvoll Heu, auf dem tut sie sich nieder, rollt sich zusammen und schläft bald ein. Doch sie schläft nicht fest; jedes Mauspiepen weckt sie, und ein paarmal schlägt ganz in ihrer Nähe ein Hund an.
Als der Morgen graut, trommelt der Regen noch immer auf das Schuppendach. Miez hat Hunger, doch in die Nässe möchte sie nicht hinaus. So liegt sie und wartet. Da klappern Schritte, kommen näher, immer näher; soll sie fliehen? Plötzlich steht ein großer Junge mit einem Holzkorb in der halb geöffneten Tür. Als er die grünen Katzenaugen in der Ecke funkeln sieht, läßt er den Korb fallen, tritt einen Schritt zurück und schließt von außen die Tür. Einen Augenblick überlegt er, dann hebt er einen armlangen dicken Knüppel vom Boden auf und will sich durch den Türspalt zwängen. Da erkennt Miez die Gefahr.
Satz - Sprung! saust sie dem Jungen über den Kopf, daß der zurücktaumelt und gar nicht daran denkt, zuzuschlagen, und als er der Katze den Knüppel nach feuert, trifft er nur in die Büsche, die der dunkelgraue Strich schon hinter sich hat.
Ein gutes Stück weiter drückt sich die Katze verängstigt unter einen dicht verfilzten Stachelbeerbusch. Es hat aufgehört zu regnen, aber Boden und Büsche und Kräuter sind pitschnaß, und es tropft von den Bäumen.
In den Gärten wird es lebendig; Schritte tappen, Türen knarren, Rufe und Stimmen sind überall. Da kommt der Semmeljunge den breiten Laubenweg herauf. Vor der Gartenpforte steigt er vom Rade und klingelt. Gleich öffnet sich die Wohnungstür, und eine Frau tritt heraus. An ihr vorbei flitzt Fox, der junge Drahthaar-Terrier, in den Garten und hat gleich den Geruch der Katze in der Nase. Satz - Satz- Satz! klebt Miez am Stamme des Apfelbaumes, und kratz - kratz! sitzt sie in der Krone. Der Hund bringt sich fast um vor Wut und bellt und jault und winselt. Zu gern möchte er dem Mäusefänger an den Kragen, doch der sitzt hoch. Da kommt der Semmeljunge und versucht den Baum zu schütteln, doch der Stamm ist zu dick. Er wirft Sand und Steine in die
Krone. Immer höher hinauf flüchtet sich die Katze, bis in die äußerste Spitze; es nützt ihr nichts, sie wird ihre Peiniger nicht los. Der Junge lehnt eine Leiter gegen den Stamm und holt sich eine lange Stange.
Da springt ihm die Katze entgegen; ihr bleibt kein anderer Weg, wenn sie hinunter will. In höchster Verzweiflung und «Wut fährt sie ihrem Verfolger ins Gesicht, kratzt heftig zu. Der Junge schreit auf und will sich mit beiden Händen des garstigen Teufels erwehren. Da rutscht die Leiter nach rechts, der Junge verliert den Halt und fällt nach links, die Katze schießt über ihn hinweg, erreicht den Boden.
Darauf hat Fox gewartet, und gleich will er sie packen. Doch blitzschnell wendet die Katze und sitzt ihm auf dem Rücken. Hick, hick! greifen ihre nadelspitzen Dolchkrallen zu; der Hund heult auf vor Schmerz und Wut und schüttelt sich. Hick, hick! Noch zweimal, dreimal gibt sie dem Hunde blutige Backpfeifen, dann springt sie zur Seite, und jaulend, mit eingezogenem Schwanz, flüchtet der Hund in die Laube. Der Semmeljunge wischt sich den Schmutz von der weißen Schürze, flucht vor sich hin und guckt in die Richtung, in der die Katze eben verschwindet ...
Miez weiß nun, woran sie ist; hier darf sie keinem trauen, hier ist jeder ihr Feind. Verängstigt und scheu setzt sie sich in einen Sonnenfleck und putzt sich das struppige, arg verschmutzte Fell. Davon wird sie aber nicht satt. Der Hunger wühlt in ihren Därmen. Da hört sie, wie Hühner kakeln und gakkern. Das klingt so zufrieden und gemütlich, daß sich die Katze unwiderstehlich angezogen fühlt. Krockockockockock! warnt der Hahn, krockockockockock!
Und Kackeraaak kackeraaak! schelten überrascht die Hühner. Was hast du hier zu suchen? Die lauten, herrischen Stimmen sind der Katze unangenehm, doch sie riecht die warmen Kleiekartoffeln im Futternapf, und ihr Hunger ist gar zu groß. Sie erklettert den Hühnerzaun und springt in das Gehege. Mit gellendem Geschrei flattert das dumme Hühnervolk auseinander. Die Katze zuckt zusammen; sie fühlt, daß das Gezeter sie verraten muß. Friß, friß! drängt ihr knurrender Magen, und sie schlingt und schlingt...
„Det guck dir an, Vater“, sagt eine alte Frau hinter der Gardine, „da sitzt ja ne Katze ant Hühnerfutter!“
„Is et die Möglichkeit?! Wo kommt denn die hierher? Mein Jott, hat die 'n Hunger! Guck bloß, wie gierig die frißt! Laß se man, Mutter, Hunger dut weh; Wer weeß, wie lange se nischt jefressen hat!“
„Wie scheu se sich umkiekt!“
„Die hat vielleicht schon manche Klamotte int Kreuz jekriegt! Hier sind se nich jut zu sprechen uff de Katzen. Weeßt de noch, die kleene Graue, die wir mal hatten - die sah janz jenau so aus!“
„Ob ick ihr 'n bißken zu trinken rausstelle?“
„Kannste ja!“
Kaum knarrt die Tür, da flüchtet die Katze und bringt sich mit langen Sätzen in Sicherheit. Sie hat das Vertrauen zu den Menschen verloren . . .
Ein
paar Stunden hält sie es nun wieder aus. Zusammengekauert sitzt sie
im hohen Kartoffelkraut, das die Sommersonne inzwischen getrocknet
hat, und dämmert
vor sich hin. Sie putzt sich die Pfoten und leckt sich den Brustlatz,
aber jedesmal, wenn sie Stimmen hört, drückt sie sich fest an den
Boden.
Doch in diesem Garten ist sie heute sicher, und so schläft sie schließlich ein...
Hat der Hunger sie aufgeweckt? Sie reckt und streckt sich, putzt sich und denkt an das warme Hühnerfutter. Wenn sie jetzt ein Näpfchen voll hätte!
Da hört sie feines, vielstimmiges Piepen und Gieren.
Geduckt und verborgen unter dem hohen Kartoffelkraut geht sie den Stimmen nach, die immer deutlicher werden. Nichts ist zu hören, als das dünne Piepen, das gar nicht aufhört. Und jetzt weiß sie, woher es kommt: dicht vor ihr, kaum einen Fuß hoch über dem Boden, ist im grasdurchwucherten Johannisbeerstrauch ein Nest mit Jungvögeln! Da erwacht die Jagdlust, die jeder Katze im Blute liegt. Ihre Augen sprühen. Tief geduckt schleicht sie näher.
Noch drei, zwei Schritte ist sie vom Nest entfernt.
Schon setzt sie zum Sprunge an, da kommt die Grasmückenmutter mit Futter im Schnabel und erkennt die furchtbare Gefahr. Sie will den Feind hinweg locken und umflattert ihn, angstvoll schreiend. Die Katze rührt sich nicht vom Fleck und beobachtet den alten Vogel, der immer tollkühner wird, immer näher kommt und die Katze fast mit den Flügeln berührt.
Auch die Grasmücke ist eine Mutter!
Da - ein jäher Sprung zur Seite! In schrillen Tönen kreischt der kleine graue Vogel in den Krallen der Katze. Die hat ihn fest gepackt, und einen Augenblick später ist alles still...
Auch die Jungvögel im Nest sind still geworden.
Sie kennen zwar nicht die Gefahren der Welt, doch die warnende Stimme der Natur, die unbewußt in ihnen spricht, schließt ihnen den Schnabel. Es nützt ihnen diesmal nichts; grausam schreitet das Schicksal auch über die fünf Geschwister hinweg, und die Katze leckt sich zufrieden das Maul. Sie weiß nun Bescheid, und die Menschen sind schuld daran, wenn sie zum Vogelräuber wurde...
Miez zieht sich mitten in die Kartoffeln zurück.
Der Braten hat gut geschmeckt, und bald schläft sie ein.
Als sie erwacht, schleicht schon die Dämmerung durch die Gärten. Stark duften die Blumen der Nacht, die Vögel sind schlafen gegangen, nur die Amseln lärmen noch und jagen sich mit gellendem Kreischen und können gar nicht zur Ruhe kommen.
Miez erhebt sich und reckt und streckt die Glieder; dann macht sie einen hohen Buckel und richtet den langen Schwanz steil auf. Sie hat Durst. Wie gern tränke sie jetzt einen Schluck süße Milch! Vorsichtig schleicht sie bis zum Johannisbeerstrauch, in dem sie das Grasmückennest plünderte.
Hinter dem Strauch steht eine Wassertonne, aber das Wasser stinkt, und wie tief sie sich auch hinunterbückt, sie vermag es nicht zu erreichen. Aber in den Muscheln, die geschmacklos den Weg einfassen, findet sie noch etwas Regenwasser, und sie leckt und schleckt. Ruhelos schleicht sie herum und sucht und lauscht, überklettert mehrere Zäune, schnuppert hier und da, irrt hin und her. Jetzt hat sie einen Käfer erhascht, läßt ihn aber laufen, weil er so widerlich riecht. Sie folgt einem Mäusepfiff und kommt nicht zum Ziel, weil sich der kleine graue Nager nicht zum zweiten mal meldet. Sie kratzt an einem Rattenloch, doch ohne Erfolg. Dann sitzt sie lange und lauscht auf den Atem der Bäume und Sträucher , die stumm und unbeweglich stehen.
Elend und jämmerlich ist ihr zumute.
Nun trabt sie einen breiten, langen Weg hinauf, weiter, immer weiter, als müßte sie doch einmal nach Hause kommen. Da sind die Gärten plötzlich zu Ende.
Miez biegt links in einen Quergang ein und steht vor einem hohen Bretterzaun. Ein dünner Mäusepfiff reißt ihren Kopf herum. Noch einer, und schon sitzt sie oben auf dem Zaun.
Der Hof dahinter ist in tiefes Dunkel gehüllt, doch das Dunkel ist nicht tot; die feinen Ohren der Katze Vernehmen leises Krispeln und Piepen, und nun huscht dicht unter ihr ein kleiner grauer Schatten hin. Da sitzt sie unten. Heimlich setzt sie ein Bein vor das andere, schleicht auf Samtballen lautlos näher und dringt immer tiefer in das Dunkel ein. Kaum genügt ihren dämmerungsscharfen Augen das spärliche Licht. Vielerlei Gerümpel liegt in den Ecken herum; halb verrostete Maschinen, zerbrochene Wagen, halbverfaulte Latten und Bretter, eine unbrauchbare Lattentür, Stacheldraht, Spiralen aus einer Matratze, Scherben, Bauschutt, Kisten, Packpapier - wie es wenig ordnungsliebende Menschen im Laufe der Jahre hier hinwarfen und
ausschütteten. Und zwischen dem Kehricht haben Ratten und Mäuse ihre Verstecke, Miez riecht es wohl. Sie riecht die Spuren der kleinen Grauen, die kreuz und quer gehen, und überall hört sie es krispeln und zwitschern und laufen.
Tief geduckt liegt sie auf der Lauer und wartet, lange, lange. Da kommen gar nicht weit von ihr zwei Mäuse unter einem zerrissenen Karton hervor, jagen sich spielend, hüpfen und springen, fangen und greifen sich und zwitschern lebensfroh, als gäbe es keine Katzen auf der Welt. Und dicht vor ihnen lauert der Tod.
Doch in diesem Garten ist sie heute sicher, und so schläft sie schließlich ein...
Hat der Hunger sie aufgeweckt? Sie reckt und streckt sich, putzt sich und denkt an das warme Hühnerfutter. Wenn sie jetzt ein Näpfchen voll hätte!
Da hört sie feines, vielstimmiges Piepen und Gieren.
Geduckt und verborgen unter dem hohen Kartoffelkraut geht sie den Stimmen nach, die immer deutlicher werden. Nichts ist zu hören, als das dünne Piepen, das gar nicht aufhört. Und jetzt weiß sie, woher es kommt: dicht vor ihr, kaum einen Fuß hoch über dem Boden, ist im grasdurchwucherten Johannisbeerstrauch ein Nest mit Jungvögeln! Da erwacht die Jagdlust, die jeder Katze im Blute liegt. Ihre Augen sprühen. Tief geduckt schleicht sie näher.
Noch drei, zwei Schritte ist sie vom Nest entfernt.
Schon setzt sie zum Sprunge an, da kommt die Grasmückenmutter mit Futter im Schnabel und erkennt die furchtbare Gefahr. Sie will den Feind hinweg locken und umflattert ihn, angstvoll schreiend. Die Katze rührt sich nicht vom Fleck und beobachtet den alten Vogel, der immer tollkühner wird, immer näher kommt und die Katze fast mit den Flügeln berührt.
Auch die Grasmücke ist eine Mutter!
Da - ein jäher Sprung zur Seite! In schrillen Tönen kreischt der kleine graue Vogel in den Krallen der Katze. Die hat ihn fest gepackt, und einen Augenblick später ist alles still...
Auch die Jungvögel im Nest sind still geworden.
Sie kennen zwar nicht die Gefahren der Welt, doch die warnende Stimme der Natur, die unbewußt in ihnen spricht, schließt ihnen den Schnabel. Es nützt ihnen diesmal nichts; grausam schreitet das Schicksal auch über die fünf Geschwister hinweg, und die Katze leckt sich zufrieden das Maul. Sie weiß nun Bescheid, und die Menschen sind schuld daran, wenn sie zum Vogelräuber wurde...
Miez zieht sich mitten in die Kartoffeln zurück.
Der Braten hat gut geschmeckt, und bald schläft sie ein.
Als sie erwacht, schleicht schon die Dämmerung durch die Gärten. Stark duften die Blumen der Nacht, die Vögel sind schlafen gegangen, nur die Amseln lärmen noch und jagen sich mit gellendem Kreischen und können gar nicht zur Ruhe kommen.
Miez erhebt sich und reckt und streckt die Glieder; dann macht sie einen hohen Buckel und richtet den langen Schwanz steil auf. Sie hat Durst. Wie gern tränke sie jetzt einen Schluck süße Milch! Vorsichtig schleicht sie bis zum Johannisbeerstrauch, in dem sie das Grasmückennest plünderte.
Hinter dem Strauch steht eine Wassertonne, aber das Wasser stinkt, und wie tief sie sich auch hinunterbückt, sie vermag es nicht zu erreichen. Aber in den Muscheln, die geschmacklos den Weg einfassen, findet sie noch etwas Regenwasser, und sie leckt und schleckt. Ruhelos schleicht sie herum und sucht und lauscht, überklettert mehrere Zäune, schnuppert hier und da, irrt hin und her. Jetzt hat sie einen Käfer erhascht, läßt ihn aber laufen, weil er so widerlich riecht. Sie folgt einem Mäusepfiff und kommt nicht zum Ziel, weil sich der kleine graue Nager nicht zum zweiten mal meldet. Sie kratzt an einem Rattenloch, doch ohne Erfolg. Dann sitzt sie lange und lauscht auf den Atem der Bäume und Sträucher , die stumm und unbeweglich stehen.
Elend und jämmerlich ist ihr zumute.
Nun trabt sie einen breiten, langen Weg hinauf, weiter, immer weiter, als müßte sie doch einmal nach Hause kommen. Da sind die Gärten plötzlich zu Ende.
Miez biegt links in einen Quergang ein und steht vor einem hohen Bretterzaun. Ein dünner Mäusepfiff reißt ihren Kopf herum. Noch einer, und schon sitzt sie oben auf dem Zaun.
Der Hof dahinter ist in tiefes Dunkel gehüllt, doch das Dunkel ist nicht tot; die feinen Ohren der Katze Vernehmen leises Krispeln und Piepen, und nun huscht dicht unter ihr ein kleiner grauer Schatten hin. Da sitzt sie unten. Heimlich setzt sie ein Bein vor das andere, schleicht auf Samtballen lautlos näher und dringt immer tiefer in das Dunkel ein. Kaum genügt ihren dämmerungsscharfen Augen das spärliche Licht. Vielerlei Gerümpel liegt in den Ecken herum; halb verrostete Maschinen, zerbrochene Wagen, halbverfaulte Latten und Bretter, eine unbrauchbare Lattentür, Stacheldraht, Spiralen aus einer Matratze, Scherben, Bauschutt, Kisten, Packpapier - wie es wenig ordnungsliebende Menschen im Laufe der Jahre hier hinwarfen und
ausschütteten. Und zwischen dem Kehricht haben Ratten und Mäuse ihre Verstecke, Miez riecht es wohl. Sie riecht die Spuren der kleinen Grauen, die kreuz und quer gehen, und überall hört sie es krispeln und zwitschern und laufen.
Tief geduckt liegt sie auf der Lauer und wartet, lange, lange. Da kommen gar nicht weit von ihr zwei Mäuse unter einem zerrissenen Karton hervor, jagen sich spielend, hüpfen und springen, fangen und greifen sich und zwitschern lebensfroh, als gäbe es keine Katzen auf der Welt. Und dicht vor ihnen lauert der Tod.
Nun
überklettern sie einen umliegenden Kinderwagen, sind verschwunden,
sind wieder
da, schlüpfen in ein Mauseloch und kommen hervorgeschossen. Hin und
her geht die fröhliche Jagd. Ein verliebtes Pärchen ist es, ein
Mäusefräulein und ein Mäusejüngling, denen die windstille, ruhige
Nacht auch gefällt, und die nur an sich denken, nur an sich.
Und dicht vor ihnen lauert der Tod.
Regungslos sitzt die Katze, jeden Augenblick sprungbereit. Wie ein Bogen ist ihre Wirbelsäule gespannt, alle Muskeln sind gestrafft, die Ohrmuscheln sind nach vorn gerichtet, und keine Bewegung der grauen Flitzer entgeht ihren funkelnden Augen.
Jetzt läuft ein nervöses Zucken über ihren Körper bis in die Schwanzspitze. Und nun, nun - sie drückt sich noch fester an den Boden und setzt zum Sprunge an - nein, wieder muß sie warten, es war noch zu früh, und sie hat Zeit.
Doch jetzt schnellen die sehnigen Läufe den schlanken Katzenkörper vor, der Schwanz ist hochgeschwungen, weit voraus greifen die Pfoten, und im Niederfallen packen die nadelspitzen Krallen und die Dolchzähne gleichzeitig zu.
Ein einziger schriller, dünner Pfiff, angstvoll und jämmerlich...
Hoch aufgerichtet, mit gesenktem Schwanz, steht die Katze da und beobachtet die Maus. Dann verspeist sie ihre Beute. Die kleinen Stammgäste des wüsten Hofes haben den Vorfall kaum bemerkt, und so gelingt es dem nächtlichen Jäger, noch drei Grauröcke zu fangen.
Dann dämmert der Tag. Miez hat auf ihren Pürschgängen in einer Ecke eine alte Kiste entdeckt, die halb mit Holzwolle und Lumpen angefüllt ist. Dahin zieht sie sich zurück, legt sich zur Ruhe nieder, schnurrt behaglich und schläft bald ein...
Der Gerümpelhof ist Miezes neue Heimat geworden. Einen sicheren Schlafplatz hat sie also, aber der Hunger ist ihr ständiger Begleiter, denn die Mäuse hat sie bald weggefangen. Milch bekommt sie niemals mehr zu trinken, und sie muß froh sein, wenn sie frisches Wasser hat. Nur selten, verläßt sie am Tage ihr Versteck. Sie hat aus bösen Erfahrungen gelernt und weiß, daß den Menschen niemals zu trauen ist. Ein Knüppelhieb traf sie quer über das Kreuz, als sie wieder einmal vom Futter der Hühner naschte, und ein anderer Rohling warf mit einem halben Mauerstein nach ihr und traf sie so schwer in die Seite, daß sie sich nur mit Mühe nach Hause schleppen konnte. Jedes Fünkchen Vertrauen zu den Menschen ist aus ihr verschwunden, und so gebietet ihr die Furcht, vorsichtig zu sein.
Sie paßt nun auch zu ihrem Versteck, Schmutzig und struppig ist ihr Fell, eingefallen sind ihre Flanken; die Hüftknochen stehen ihr heraus, und alle Rippen kann man zählen. Zwar putzt sie sich eifrig und leckt und säubert sich, das liegt nun einmal in ihrer Natur; doch das Fell hat seinen seidigen Glanz verloren und ist stumpf geworden.
So fristet sie ein kümmerliches Dasein und schlägt sich mühsam durch. Hart ist das Schicksal der Verstoßenen.
Nach und nach aber gewöhnt sie sich an das Zigeunerleben und nimmt willig hin, was der Tag ihr schenkt - Mangel und Fülle, Furcht und Sorglosigkeit, Böses und Gutes.
Nacht für Nacht raubt sie zum Schrecken der Vögel und zum Entsetzen der Ratten und Mäuse. In weitem Umkreis ist kein lebendes Wesen vor ihr sicher, das sie erreichen und bezwingen kann. Sie erklettert die Bäume und holt aus den Nistkästen die Nestjungen und die schlafenden Altvögel heraus; sie raubt Hühner- und Entenküken, wo sie sie erwischen kann; sie erbricht zweimal einen mangelhaft verschlossenen Kaninchenstall und langt sich ein paar Jungkaninchen heraus. Die Laubenkolonisten fluchen und wettern. Was wollen sie, Hunger tut weh, und die Roheit und der Unverstand der Menschen sind schuld daran, daß aus dem harmlosen Wesen eine raubgierige Bestie wurde, die nimmt, was sie kriegen kann!
So vergeht der Sommer, und der Herbst kommt.
Da wird die Nahrung von Woche zu Woche noch knapper. Auf einem ihrer Streifzüge faßt sie beinahe ein Dobermannpinscher, und nur mit Mühe vermag sie sich vor ihm auf einen Baum zu retten. Jungvögel gibt es längst nicht mehr, und die Grasmücken und Rotschwänzchen, Fliegenschnäpper und Finken sind gen Süden gezogen, um in wärmeren Ländern den Winter zu verbringen. Aber die Mäuse sind zahlreicher geworden. Sie fliehen vor der Nässe und Kälte in den Gärten und flüchten sich unter das Gerümpel des Hofes, der tagtäglich Zuzug bekommt.
Das ist dem Mäusefänger schon recht, und viele der neu Ankommenden enden in seinen Krallen, noch bevor sie sich in einem versteckten Winkel häuslich einrichten können.
Schließlich aber hört der willkommene Zuzug auf, und dann kommt der Winter, und mit ihm bittere Not. Wie leidet Miez unter der Nässe und Kälte! Ihr luftiges Sommerversteck bietet ihr nicht genügend Schutz, aber auf einem nächtlichen Streifzuge entdeckt sie ein Mauerloch, durch das sie bequem in den Kohlenvorratsraum einer Heizanlage schlüpfen kann. Da ist es mollig warm. Zwar muß sie auf harten, kantigen Koksstücken schlafen, aber ein unbequemes Lager ist leichter zu ertragen als die Kälte, zumal wenn man einen leeren Magen hat. Und Miez muß morgens oft hungrig schlafen gehen. Zwar sind die Nächte viel länger als im Sommer; trotzdem jagt sie oft erfolglos.
Eines Morgens entdeckt sie der Heizer. Ganz harmlos bückt er sich; dann richtet er sich schnell auf und wirft ihr ein faustgroßes Stück Koks an den Kopf.
Wie der Blitz fährt sie zum Loche hinaus. Sie hat einen solchen Schreck bekommen, daß sie das schallende Gelächter des rohen Patrons nicht mehr hört.
Am nächsten Tage aber sitzt sie doch wieder im warmen Kohlenkeller, aber jedesmal verschwindet sie schleunigst, wenn sie die schlürfenden Schritte des Heizers hört, und so oft der nach ihren glühenden Augen ausschaut, findet er den Platz immer leer.
Die Not zwingt Miez, auch am Tage auf die Futtersuche zu gehen. Aber sie erbettelt sich nichts, das wäre gefährlich; was sie braucht, muß sie sich heimlich und mit List nehmen. Wo die Menschen den zurückgebliebenen gefiederten Gästen Futterplätze hergerichtet haben, lungert sie herum und versucht einen Spatz oder eine Amsel oder einen Grünfinken zu erhaschen, und ab und zu gelingt es ihr auch, ein verklammtes, mattes Vögelchen zu greifen. Aber es ist nur Haut und Federn, und außerdem muß sich Miez sehr vorsehen, denn wo sie erscheint, verfolgt und verraten vom Gezeter der Vögel, muß sie die Abneigung der Menschen fürchten. Schon einmal hat ein Knabe mit einem Stück Kochholz nach ihr geworfen, als sie hinter einem Strauch auf Beute lauerte.
Man sieht es ihr schon an, daß sie nicht zu einem Hause gehört und nicht gepflegt wird. Oft sitzt sie bekümmert herum, schleicht scheu und verängstigt über die Höfe und sucht überall. Niemand kümmert sich um sie, von keinem bekommt sie ein gutes Wort, ein Schlückchen Milch; jeder Hund kläfft sie an und jagt sie über den Zaun, und die Hauskatzen beißen sie weg. Nirgends ist sie gern gesehen, nirgends findet sie Ruhe. So irrt sie umher, hungrig, struppig und verkommen, und ihr klägliches, weinerliches Miauen ist wie eine Anklage gegen ihre Peiniger.
Und dicht vor ihnen lauert der Tod.
Regungslos sitzt die Katze, jeden Augenblick sprungbereit. Wie ein Bogen ist ihre Wirbelsäule gespannt, alle Muskeln sind gestrafft, die Ohrmuscheln sind nach vorn gerichtet, und keine Bewegung der grauen Flitzer entgeht ihren funkelnden Augen.
Jetzt läuft ein nervöses Zucken über ihren Körper bis in die Schwanzspitze. Und nun, nun - sie drückt sich noch fester an den Boden und setzt zum Sprunge an - nein, wieder muß sie warten, es war noch zu früh, und sie hat Zeit.
Doch jetzt schnellen die sehnigen Läufe den schlanken Katzenkörper vor, der Schwanz ist hochgeschwungen, weit voraus greifen die Pfoten, und im Niederfallen packen die nadelspitzen Krallen und die Dolchzähne gleichzeitig zu.
Ein einziger schriller, dünner Pfiff, angstvoll und jämmerlich...
Hoch aufgerichtet, mit gesenktem Schwanz, steht die Katze da und beobachtet die Maus. Dann verspeist sie ihre Beute. Die kleinen Stammgäste des wüsten Hofes haben den Vorfall kaum bemerkt, und so gelingt es dem nächtlichen Jäger, noch drei Grauröcke zu fangen.
Dann dämmert der Tag. Miez hat auf ihren Pürschgängen in einer Ecke eine alte Kiste entdeckt, die halb mit Holzwolle und Lumpen angefüllt ist. Dahin zieht sie sich zurück, legt sich zur Ruhe nieder, schnurrt behaglich und schläft bald ein...
Der Gerümpelhof ist Miezes neue Heimat geworden. Einen sicheren Schlafplatz hat sie also, aber der Hunger ist ihr ständiger Begleiter, denn die Mäuse hat sie bald weggefangen. Milch bekommt sie niemals mehr zu trinken, und sie muß froh sein, wenn sie frisches Wasser hat. Nur selten, verläßt sie am Tage ihr Versteck. Sie hat aus bösen Erfahrungen gelernt und weiß, daß den Menschen niemals zu trauen ist. Ein Knüppelhieb traf sie quer über das Kreuz, als sie wieder einmal vom Futter der Hühner naschte, und ein anderer Rohling warf mit einem halben Mauerstein nach ihr und traf sie so schwer in die Seite, daß sie sich nur mit Mühe nach Hause schleppen konnte. Jedes Fünkchen Vertrauen zu den Menschen ist aus ihr verschwunden, und so gebietet ihr die Furcht, vorsichtig zu sein.
Sie paßt nun auch zu ihrem Versteck, Schmutzig und struppig ist ihr Fell, eingefallen sind ihre Flanken; die Hüftknochen stehen ihr heraus, und alle Rippen kann man zählen. Zwar putzt sie sich eifrig und leckt und säubert sich, das liegt nun einmal in ihrer Natur; doch das Fell hat seinen seidigen Glanz verloren und ist stumpf geworden.
So fristet sie ein kümmerliches Dasein und schlägt sich mühsam durch. Hart ist das Schicksal der Verstoßenen.
Nach und nach aber gewöhnt sie sich an das Zigeunerleben und nimmt willig hin, was der Tag ihr schenkt - Mangel und Fülle, Furcht und Sorglosigkeit, Böses und Gutes.
Nacht für Nacht raubt sie zum Schrecken der Vögel und zum Entsetzen der Ratten und Mäuse. In weitem Umkreis ist kein lebendes Wesen vor ihr sicher, das sie erreichen und bezwingen kann. Sie erklettert die Bäume und holt aus den Nistkästen die Nestjungen und die schlafenden Altvögel heraus; sie raubt Hühner- und Entenküken, wo sie sie erwischen kann; sie erbricht zweimal einen mangelhaft verschlossenen Kaninchenstall und langt sich ein paar Jungkaninchen heraus. Die Laubenkolonisten fluchen und wettern. Was wollen sie, Hunger tut weh, und die Roheit und der Unverstand der Menschen sind schuld daran, daß aus dem harmlosen Wesen eine raubgierige Bestie wurde, die nimmt, was sie kriegen kann!
So vergeht der Sommer, und der Herbst kommt.
Da wird die Nahrung von Woche zu Woche noch knapper. Auf einem ihrer Streifzüge faßt sie beinahe ein Dobermannpinscher, und nur mit Mühe vermag sie sich vor ihm auf einen Baum zu retten. Jungvögel gibt es längst nicht mehr, und die Grasmücken und Rotschwänzchen, Fliegenschnäpper und Finken sind gen Süden gezogen, um in wärmeren Ländern den Winter zu verbringen. Aber die Mäuse sind zahlreicher geworden. Sie fliehen vor der Nässe und Kälte in den Gärten und flüchten sich unter das Gerümpel des Hofes, der tagtäglich Zuzug bekommt.
Das ist dem Mäusefänger schon recht, und viele der neu Ankommenden enden in seinen Krallen, noch bevor sie sich in einem versteckten Winkel häuslich einrichten können.
Schließlich aber hört der willkommene Zuzug auf, und dann kommt der Winter, und mit ihm bittere Not. Wie leidet Miez unter der Nässe und Kälte! Ihr luftiges Sommerversteck bietet ihr nicht genügend Schutz, aber auf einem nächtlichen Streifzuge entdeckt sie ein Mauerloch, durch das sie bequem in den Kohlenvorratsraum einer Heizanlage schlüpfen kann. Da ist es mollig warm. Zwar muß sie auf harten, kantigen Koksstücken schlafen, aber ein unbequemes Lager ist leichter zu ertragen als die Kälte, zumal wenn man einen leeren Magen hat. Und Miez muß morgens oft hungrig schlafen gehen. Zwar sind die Nächte viel länger als im Sommer; trotzdem jagt sie oft erfolglos.
Eines Morgens entdeckt sie der Heizer. Ganz harmlos bückt er sich; dann richtet er sich schnell auf und wirft ihr ein faustgroßes Stück Koks an den Kopf.
Wie der Blitz fährt sie zum Loche hinaus. Sie hat einen solchen Schreck bekommen, daß sie das schallende Gelächter des rohen Patrons nicht mehr hört.
Am nächsten Tage aber sitzt sie doch wieder im warmen Kohlenkeller, aber jedesmal verschwindet sie schleunigst, wenn sie die schlürfenden Schritte des Heizers hört, und so oft der nach ihren glühenden Augen ausschaut, findet er den Platz immer leer.
Die Not zwingt Miez, auch am Tage auf die Futtersuche zu gehen. Aber sie erbettelt sich nichts, das wäre gefährlich; was sie braucht, muß sie sich heimlich und mit List nehmen. Wo die Menschen den zurückgebliebenen gefiederten Gästen Futterplätze hergerichtet haben, lungert sie herum und versucht einen Spatz oder eine Amsel oder einen Grünfinken zu erhaschen, und ab und zu gelingt es ihr auch, ein verklammtes, mattes Vögelchen zu greifen. Aber es ist nur Haut und Federn, und außerdem muß sich Miez sehr vorsehen, denn wo sie erscheint, verfolgt und verraten vom Gezeter der Vögel, muß sie die Abneigung der Menschen fürchten. Schon einmal hat ein Knabe mit einem Stück Kochholz nach ihr geworfen, als sie hinter einem Strauch auf Beute lauerte.
Man sieht es ihr schon an, daß sie nicht zu einem Hause gehört und nicht gepflegt wird. Oft sitzt sie bekümmert herum, schleicht scheu und verängstigt über die Höfe und sucht überall. Niemand kümmert sich um sie, von keinem bekommt sie ein gutes Wort, ein Schlückchen Milch; jeder Hund kläfft sie an und jagt sie über den Zaun, und die Hauskatzen beißen sie weg. Nirgends ist sie gern gesehen, nirgends findet sie Ruhe. So irrt sie umher, hungrig, struppig und verkommen, und ihr klägliches, weinerliches Miauen ist wie eine Anklage gegen ihre Peiniger.